Sonntag, 12. November 2006

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MM_Bearb_Aufgabe_1_Multim_telem_Lernumgeb


Kommentare sind erlaubt!

13.11.06: schon besser, doch bin ich noch nicht zufrieden, u.a. weil ich Textstellen auch farblich hervorgehoben hatte, was hier nicht wiedergegeben wird

12.11.06
Achtung!
Formatierung muss nochmal bearbeitet werden! Dieser Text wurde mittels eines externen html-editors erstellt und dann der Code hierher kopiert, daher passen die Zeilenumbrüche nicht

Sequentielle Strukturen bei der Exposition von Lehr-Lerninhalten

Exposition: aus dem Lateinischen "expositio"
wörtlich: Aussetzung oder
übertragen: Darlegung

Gemeint ist die zeitliche Reihenfolgestruktur der Darlegung des Lernstoffs.

Kerres: "Damit ist die Annahme verbunden, dass sich die richtige zeitliche Anordnung von Elementen des Lernangebotes günstig auf den Lernerfolg auswirkt."

Meine Meinung: Es ist eine für viele (die meisten?) Lehr-Lerninhalte zutreffende Beobachtung, dass der Lernerfolg von einer geeigneten Reihenfolge der Darlegung abhängt.

Dazu ein Beispiel aus der Geographie: Man wird nicht Wegeners Kontinentaldrift erklären, ohne zuvor den Aufbau der Erde (Erdmantel, ...) dargestellt zu haben.

Ein Beispiel aus der Mathematik: Man sollte vor dem
Multiplizieren das Addieren und davor das Zählen unterrichten.

usw.

Es gibt wohl nur wenige Fächer, deren Darbietung man irgendwo beginnen kann und dennoch stellt sich ein Lernerfolg ein. Die meines Erachtens wichtigsten Ausnahmen sind (im Kindesalter) das Lernen der Sprache und das soziale Lernen.

Kerres meint jedoch nicht den zeitlichen Ablauf des
Lernens im Sinne von Stadien der kognitiven Entwicklung eines Menschen (wie sie z.B. Piaget entwickelte).

Ihm geht es vor allem um die interne chronologische Sequenzierung von Lehr-Lerneinheiten.

Er postuliert: "Lernen ist ein sich zeitlich erstreckender
Prozess."

"Sind die Lernangebote zeitlich richtig angeordnet, so die implizite Annahme, ist mit einem Lernerfolg zu rechnen"

Und gibt 3 Fragen vor:

Was ist die "richtige" Folge von Elementen eines Lernangebotes?

Wie beginnt man am besten?

Womit beendet man eine Lerneinheit, um den Lernerfolg sicherzustellen?

Er behauptet: "Vergleichsweise einfach sind universelle Sequenzmodelle und intuitive Heuristiken zur zeitlichen Strukturierung von Lernangeboten. Sie gehen davon aus, dass es einige grundlegende Prinzipien gibt, die zur Sequenzierung von Lehraktivitäten angelegt werden können und zwar unabhängig von der Art des Lehrinhaltes, Merkmalen der Lernenden oder der Lernsituation."

Er erklärt nicht, was mit "universelle Sequenzmodelle" oder "intuitive Heuristiken" gemeint ist, stellt jedoch ein "universelles Sequenzmodell" vor (s.u. "Instruktionale Ereignisse" oder in 4.1.1).

Heuristik ist eine Methodensammlung zur Lösung von Problemen, so dass heureka gesagt werden kann. Heuristiken der Oberbegriff für diese Methoden. Heuristik ist aber keine Methode zur zeitlichen Strukturierung von Lernangeboten. Es ist keine didaktische Methode. Es kann für einen bestimmten Lernstoff eine heuristische Didaktik geben, also eine Unterrichtsmethode des entdeckenden Lernens.

Warum Kerres den Begriff Heuristik mittels des Wortes "intuitiv" einengt, bleibt unklar.

Er behauptet dann: " Heuristische Lehrprinzipien wären z.B. die Induktion oder Deduktion."

Deduktion ist jedoch keine heuristische Methode, denn sie führt nicht zu neuer Erkenntnis. Bei der Deduktion steckt nämlich die Lösung eines Problems bereits in der Präposition ("vom Allgemeinen zum Besonderen").

Gerade bei der Realisierung des Paradigmas eines situierten Lernens sollte heuristisches Vorgehen neue Bedeutung erlangen.

Kerres schreibt: "Bei Heuristiken wird nicht näher spezifiziert, unter welchen Bedingungen, welches Vorgehen gewählt werden soll. Sie haben den Vorteil, dass jegliche Analyse z.B. des Lerners entfallen kann und bieten gerade wegen ihrer konzeptuellen Sparsamkeit einen einfachen Orientierungsrahmen für die Planung."

Er hat offensichtlich noch nichts von "Systematischer Heuristik " gehört.

Die sog. "Systematischen Heuristik" besteht darin,
wiederkehrende Problemklassen mit Methoden zu bearbeiten, die sich in der Vergangenheit als effektiv erwiesen haben.

s. auch:

Alfred Schreiber (Uni Flensburg)  mit ausführlichem Literaturverzeichnis.

oder

Heuristik wissenschaftlicher Entdeckungen

Als Beispiele für Methoden zur Entwicklung sequentieller Lehr-Lernstrukturen führt Kerres an:

  1. Instruktionale Ereignisse (4.1.1)
  2. Präsentationsfolgen einer "component display theory"
    (4.1.2)
  3. Prinzipien zeitlicher Organistaion von Unterricht (4.1.3)

 

Diese sollen nun genauer dargestellt werden:

1. Instruktionale Ereignisse (4.1.1) 


Eine Arbeitsgruppe um Robert Gagne formulierte ein universelles Modell, nach dem sich erfolgreiches Lehren und Lernen als Folge neun zielgerichteter Aktivitäten darstellen lässt. Das Modell beschreibt, welche instruktionalen Ereignisse eintreten müssen, damit Lernen erfolgreich ist
(s. Tabelle 12 p.189):


 

Aktivität Lehrsystem

Aktivität Lernsystem

1.

Aufmerksamkeit erzielen

Konzentration mobilisieren

2.

Lehrziele mitteilen

realistische Erwartung über Lernergebnis aufbauen

3.

an Vorwissen anknüpfen

Langzeitgedächtnis aktivieren

4.

Lernmaterial präsentieren

Lernmaterial wahrnehmen

5.

Lernhilfen anbieten

Übernahme in Langzeitgedächtnis durch semantische Enkodierung fördern

6.

Gelerntes anwenden

Rückschlüsse auf Lernergebnis ermöglichen

7.

Rückmeldung geben

diagnostische Information und Verstärkung geben

8.

Leistung testen

Hinweise zur Verfügung haben, die bei der Erinnerung benötigt werden

9.

Behaltensleistung und Lerntransfer fördern

Leistung in neuen Situationen erproben


Das Einhalten dieser Reihenfolge instruktionaler Ereignisse trägt nach Gagne zum Lernerfolg bei und kann unabhängig von Lerngegenstand, Merkmalen von Lernmedium, Lerner oder Lernsituation verfolgt werden. Es handelt sich damit um ein universelles Sequenzmodell. Die instruktionalen Ereignisse sind bei verschiedenen Lehrzielen zwar unterschiedlich zu gestalten und zu gewichten, ihre Abfolge
sollte jedoch grundsätzlich beibehalten werden. Im wesentlichen schlägt das Modell ein Vorgehen vom Allgemeinen zum Besonderen vor.

Anmerkung MM: Es eignet sich also nur für eine deduktive Exposition des Lernstoffes.

Kerres erörtert dann die Anwendung der Reihenfolge instruktionaler Ereignisse auf multimediale Lernumgebungen. Wesentlich ist dabei, dass man für jedes instruktionales Ereignis überlegen kann, welches konkrete Medium das Lehrsystem einsetzt, um die gewünschte Aktivität des Lernsysstems zu bewirken.

Ich denke, dass jeder, der bereits multimedial aktiv war oder Phantasie hat, ein Repertoire von Möglichkeiten kennt.

Vielleicht ist anzumerken, dass sich die Lernhilfen in Schritt 5 auf alle Maßnahmen beziehen, die sich günstig auf die Speicherung und Organisation des Materials beziehen und dazu beitragen, dass dieses besser erinnert werden kann (z.B. Merksätze oder "Eselsbrücken", Grafiken wie Skizzen oder Flussdiagramme, humoristische Illustrationen und manches mehr).

Interessant ist, dass Kerres mitteilt:

"Versuche einer weitergehenden Konkretisierung des Vorgehens werden von Gagne jedoch skeptisch beurteilt (Wager & Gagne, 1983, S. 59):

Lessons incorporating events that are appropriate for the type of learning outcomes desired will be more likely to attain the desired learning goals than lessons that do not include them. Our guidelines cannot be more specific than this, since it is the designer who must interpret the function being served by any particular display. To imagine that the design process can be reduced to a set of cook-book prescriptions is wishful thinking"

 

Anschließend stellt er einen solchen Versuch vor, nämlich


2. Präsentationsfolgen einer
"component display theory"
(4.1.2)

Sie wurden von Merrill entwickelt und haben das Ziel, die Konzeption von Lernangeboten im Detail präziser spezifizieren zu können

Im Unterschied zu universellen Sequenzmodellen geht die cdt davon aus, dass das instruktionelle Vorgehen abhängig zu machen ist (zumindest) von dem Lehrinhalt einerseits und dem angestrebten Leistungsniveau anderseits. Die cdt beschränkt sich dabei auf kognitive Lehrinhalte:

  • Fakten (beliebig geordnete Informationsbestandteile)
  • Konzepte (Begriffe)
  • Prozeduren (Sequenz von Schritten, die zur Erreichung
    eines Ziels benötigt werden)
  • Prinzipien (kausale oder korrelative Zusammenhänge von Ereignissen oder Bedingungen)

Zu jedem dieser Lerninhalts(-typen) gibt es nach Merrill vier Aktivitäten:

Entdecken,
Anwenden,
Erinnern des abstrakten Wissens,
Erinnern des konkreten Wissens.

Damit entsteht folgende Matrix:


 

Fakten

Konzepte (Enditäten)

Prozeduren (Aktivitäten)

Prinzipien (Prozesse)

Entdecken

 

 

 

 

Anwenden

 

 

 

 

Erinnern

-abstraktes Wissen

 

 

 

 

Erinnern

-konkretes Wissen

 

 

 

 


Wobei cdt nur die grauen Felder abdeckt.

Jede dieser Kombinationen erfordert nach Merrill ein jeweils spezifisches instruktionelles Vorgehen. Die Kategorisierung der Lehrziele soll damit an die Lehrmethodik geknüpft werden.

Das Modell greift den Wunsch der Praxis nach möglichst konkreten Hinweisen für die Konzeption computergestützter Lehrprogramme auf. Sie ermöglicht eine gewisse Standardisierung der Medienproduktion (angeblich, wurde also meinerseits nicht geprüft).

Das Ziel der cdt besteht darin, die Konzeption eines Lernprogramms bis auf die Ebene einzelner displays, also Bildschirmseiten, möglichst präzise zu bestimmen. Dazu werden primäre Präsentationsformen benannt

  • darstellenden Präsentationen (expository presentations), bei denen neue Sachverhalte vorgestellt werden,
  • und fragende oder ganz allgemein: aktivierenden Präsentationen (inquisitory presentations), bei denen Sachverhalte erfragt werden und Eingaben oder andere Aktivitäten des Lernenden verlangt werden

und Regeln zur Sequenzierung dieser "primären Präsentationsformen" formuliert.

Generell gelte folgender Ablauf:
Präsentation => Übung => Anwendung/Test

Anmerkung MM: Ach wie neu dies ist! Ich will mich hier nicht über "Forschung ala USA" äußern, daher überspringe ich die Exposition der Details.

Kerres schreibt - und das ist m. E. nicht überraschend:

"[...] wurden die Grenzen des ursprünglichen Modells schnell sichtbar, und es wurden die Grundzüge der instructional transaction theory (ITT) formuliert (Merrill, 1994, Section 6). Das vorrangige Ziel der ITT ist nicht mehr, die konzeptuelle Arbeit des didaktischen Designs zu unterstützen. Es geht vielmehr um ein Modell, mit dem die "Intelligenz" des didaktischen Designs in einer vom Computer ausführbaren Form, etwa eines Expertensystems oder eines neuartigen Autorensystems, implementierbar wird. Bei einer solchen indirekten Implementationsstrategie beschränkt sich die Aufgabe des didaktischen Designs dann darauf, die Parameter des Systems einzustellen. Die eigentlichen instruktionellen Entscheidungen soll das Computersystem - und nicht der didaktische Designer - übernehmen. Es geht dann um die Automatisierung des didaktischen Design." (Hervorhebung von mir)

Welche Ergebnisse dabei erzielt wurden, wird nicht mitgeteilt, jedoch sind diese unschwer zu erraten: keine. Denn bereits die Vorstufe des ITT, also das cdt/CDT, war offenbar ein  Fehlschlag. Wenn ich die Latte in 1 m Höhe nicht überspringen kann, werde ich die in 1,5 m Höhe ...

Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass die intellektuelle Leistung des instructional designs automatisiert werden kann - so wenig wie (oder besser: weil nicht ) das Beweisen in der Mathamatik automatisiert werden kann - was sogar bewiesen wurde (--> Gödel). Ich würde bestenfalls erwarten, dass Frames generiert werden können. Versuche, das Programmieren zu automatisieren, gab es auch schon einmal ...

Aus Frames könnten Objekte werden: Es mag in Bälde parametrierbare Objekte geben, die dem Multimedia-Programmer einige lästige Arbeiten abnehmen, Jedoch sicher nicht das Nachdenken über die Didaktik einer Lehr-Lern-Beziehung.

Merrills Bestrebungen sind von feiner Granularität. Sie erlaubt zwar die Spezifikation einer Folge von Bildschirmseiten, es gibt je doch kaum Hinweise zur übergreifenden Struktur des Lernangebotes.

Daher wurde von Reigeluth et al. (1980) das 

Elaborationsmodell

entwickelt.

Danach vollziehe sich Lernen nicht geradlinig, z.B. vom einfachen zum Schweren, sondern durchlaufe die Lehrinhalte in mehreren Schleifen mit Sprüngen vor- und rückwärts. In interaktiven Medien wären die Lehrinhalte demnach mit zunehmenden Vertiefungen zu organisieren, um die Elaboration der Lehrinhalten durch die Lernenden zu fördern. Um diese Art der individuellen Auseinandersetzung zu ermöglichen, kämen Strukturierungshilfen besondere Bedeutung zu, da sie den Lernprozess nachweislich unterstützen würden.

Reigeluth schlage vor, Auszüge (sogenannte Epitome) zu präsentieren, die im Unterschied zu Zusammenfassungen einige der im Programm später präsentierten Ideen, Konzepte, Inhalte usw. aufführen und zwar in einer konzentrierteren und konkreteren Form als eher abstrahierende Zusammenfassungen.

Den letzten Absatz verstehe ich nicht. Ich müsste wohl erst einmal eine konkrete Exposition erhalten.

Ausgehend von einem solchen Auszug unterscheidet Reigeluth verschiedene Formen von Elaborationen: vom Allgemeinen zum Besonderen, vom Einfachen zum Komplexen sowie vom Abstrakten zum Konkreten. Bei der Erstellung eines Auszugs seien die essentiellen, repräsentativen, allgemeinen und/oder grundlegenden Begriffe und Aussagen eines Sachverhaltes zu extrahieren und in einer Gliederungsform zu präsentieren.

Elaborationen sind baumartig hierarchisch, also in Ebenen, zu gliedern. Jedoch wurde mir in der Darstelung durch Kerres nicht klar, wie der Lernende durch diese Ebene vorangehen soll. Üblich ist die Methode "depth search first", was der Gliederungs- und Bearbeitungsmethode eines Buches entspricht. Üblich ist folgende Arbeitsweise:

1.
1.1
1.1.1
1.1.2
1.1.3
1.2
1.2.1
1.2.2
1.2.2.1
1.2.2.2
1.2.3
1.2.4
1.3
2
3

Gegen die Anwendung dieser Bearbeitungsfolge spricht
jedoch Abbildung 18:

Image1

 

Demnach werden zuerst alle Sub-Auszüge (-Epitome) einer Ebene bearbeitet, bevor ein Auszug bearbeitet werden, der eine Ebene tiefer liegt.

Hier scheint folgende Reihenfolge gemeint zu sein:

1
2
3
1.1
1.2
1.3
1.1.1
1.1.2
1.1.3
1.2.1
1.2.2
1.2.3
1.2.4
1.2.2.1
1.2.2.2

Für manche Sachgebiete mag diese Folge der Abarbeitung angebracht sein, z.B. wenn man in der Biologie die Gliederung der Fauna abarbeitet (--> Linné):

Tier
Mehrzellige, Einzellige,
Wirbeltiere, Wirbellose Tiere, ...
Amphibien, Fische, Reptilien, Säugetiere, Vögel, ...

 

Einen anderen Ansatz wählten Posner & Strike(1976, 1986):

3. Prinzipien zeitlicher Organistaion von Unterricht (4.1.3)

(1) Die Sequenzierung nach der Ordnung der Dinge orientiert sich an der "Realität", d.h. die Präsentation der Lernangebote richtet sich nach der

(a) räumlichen,

(b) zeitlichen oder

(c) physikalischen Anordnung von Objekten, Ereignissen etc.,

die eine bestimmte Reihenfolge nahelegt

(2) Die Sequenzierung nach der logischen Struktur der Lerninhalte geht von einer dem Gegenstand innewohnenden Ordnung aus, etwa:

  • der logischen Abhängigkeit verschiedener Lerninhalte,
    die analytisch gewonnen werden,
  • der konzeptuellen Organisation der Lernangebote (Über-Unterordnung von Begriffen etc.), die sich etwa aus einem semantischen Netzwerk oder einer Objekthierarchie ergeben,
  • der inhaltlichen Zusammengehörigkeit von Lernangeboten (z.B. Theorie —> Anwendung, Regel—> Beispiel, Satz —> Beweis) oder
  • der Komplexität von Lernangeboten eines Inhaltes (leicht —> schwer).

(3) Die Sequenzierung folgt dem Erkenntnisprozess des Lerngegenstandes, d.h. wie die Inhalte entdeckt bzw. erforscht wurden/werden, etwa indem der Prozeß der Erkenntnisgewinnung historisch oder empirisch nachvollzogen wird.

(4) Die Sequenzierung folgt dem Anwendungskontext, d.h. wie die Lerninhalte benötigt werden im Hinblick auf gesellschaftliche, berufliche oder individuelle Anforderungen bzw. Bedürfnisse. Dieses Prinzip orientiert sich an der Schrittfolge von Prozeduren (etwa bei Prozessen der Entscheidungsfindung) oder der Häufigkeit bzw. Wichtigkeit von Lerninhalten im Berufsleben bzw. für Bewältigung von Alltagssituationen.

(5) Sequenzierungen, die sich an den äußeren Rahmenbedingungen orientieren. Berücksichtigt wird dabei, welche Ressourcen wann, wie und zu welchen Bedingungen für Lernaktivitäten zur Verfügung stehen.

(6) Die Sequenzierung orientiert sich am Lemprozess, d.h. an Erkenntnissen der Lehr-Lernforschung über die kognitiven Operationen beim Lernen. Es wurde bereits
dargestellt, dass dieses Prinzip in den meisten Fällen kaum anwendbar ist, weil Ergebnisse über die kognitiven Anforderungen konkreter Aufgaben kaum vorliegen.

(7) Sequenzierung nach einer entwicklungspsychologischen Entfaltungslogik. Inhalte und Folgen sollten sich am Lebensalter bzw. dem Entwicklungsstand des Lerners
orientieren. (z.B. Stufen der geistigen/moralischen Entwicklung nach Piaget/Kohlberg). Dieses Prinzip ermöglicht jedoch - wenn überhaupt - nur vage Angaben über die zeitliche Strukturierung der Lernangebote auf der Ebene von Kursen.

(8) Folgende Prinzipien der Sequenzierung beziehen sich auf den Zustand des Lerners bzw. des Lernfortschritts:

  • Die Vertrautheit mit Lerninhalten bzw. Vorwissen.
  • Interesse.
  • Die Steigerung der erlebten Schwierigkeit legt eine Sequenzierung vom Einfachen zum Schwierigen nahe.

(9) Vor allem durch Gagne bekannt geworden ist schließlich die Bildung von Sequenzen anhand von Lernhierarchien, die die Voraussetzungsbeziehung von Lernprozessen abbilden. Ausgegangen wird davon, dass ein Lemprozess einen anderen Lemprozess erleichtern oder hemmen kann.

 

Kerres sucht dann nach Merkmalen effektiver Unterrichtssequenzen und stellt fest: "Eine empirische Prüfung der guten oder gar optimalen Sequenzierung von Lernangeboten ist komplex, wenn nicht unmöglich. Man denke an die Anzahl möglicher Aktionsformen und die Kombinationen, die sich hieraus ergeben, die in Beziehung zu Variablen des Lernerfolgs zu setzen sind. Die schwerwiegenden methodischen Probleme der experimentellen Erforschung von Lehr-Lernsequenzen hatte bereits Tennyson (1972) dargestellt. Bei n Elementen, die es in einer Sequenz zu organisieren gilt, sind n! verschiedene Sequenzen möglich. Bei zehn Elementen entspricht dies bereits 3 1/2 Mio. möglichen Sequenzen, die im Vergleich zu prüfen wären"

Er übernimmt die Anzahl aller möglichen Reihenfolgen von n Objekten (=n!). Dies ergibt jedoch für die meisten Lernangebote eine viel zu hohe Anzahl von Sequenzen, da fachlich keineswegs jede Reihenfolge sinnvoll ist, genauer: die meisten der denkbaren Folgen sind sinnlos.

Rosenshine & Stevens (1986) erstellten nach Sichtung vieler Einzeluntersuchungen eine Übersicht von Merkmalen effektiver Sequenzierungen bei personalen Lehrformen. Es wurden u.a. folgende Elemente identifiziert, für die ein positiver Zusammenhang mit dem Lernerfolg nachgewiesen werden konnte:

  • der Unterricht beginnt mit einer kurzen Wiederholung,
  • die Lehrziele werden kurz benannt,
  • die Lehrinhalte werden in kleinen Schritten präsentiert, auf die jeweils eigene Aktivitäten der Lerner folgen,
  • Formulierungen und Erklärungen sind klar und präzise,
  • alle Schüler werden zu eigenen Aktivitäten angeregt,
  • möglichst vielen Schülern werden häufig Fragen gestellt,
  • Lerner werden bei Übungen in einem neuen Lehrgebiet begleitet,
  • Rückmeldungen und Verbesserungshinweise werden regelmäßig gegeben,
  • genaue Anweisungen für selbständige Aufgaben werden
    formuliert,
  • die Bearbeitung der Lernaufgaben wird beaufsichtigt.

Anmerkung von MM: Man beachte die Ähnlichkeit zu Gagné (s. Tabelle 12 p.189)!

Diese Merkmale des Lehrverhaltens sind bei hierarchisch strukturierten Lehrinhalten als überlegen nachgewiesen worden: z.B. beim Erlernen von Grammatik, historischen Zusammenhängen, Wissen in den Natur- oder Wirtschaftswissenschaften, ebenso beim Erlernen der Anwendung von Regeln, z.B. der Anwendung von Formeln oder Prinzipien der Maschinenwartung, nicht jedoch bei weniger hierarchisch strukturierten Lehrinhalten, wie der Analyse von Literatur, Musik oder bildender Kunst, der Diskussion sozialer oder ethischer Fragen und der Entwicklung kreativer Fähigkeiten.

Bei der Konzeption multimedialer Lernumgebungen sollten deswegen folgende Elemente berücksichtigt werden:

  • Lernaktivitäten vorbereiten (d.h. Lernmotivation und
    Aufmerksamkeit sind sicherzustellen, etwa durch Anknüpfen an konkrete Beispiele, Verweis auf bereits Erlerntes, Aufbau angemessener Erwartungen etwa durch Nennen von Lehrzielen, Überprüfen von Vorkenntnissen, Einordnen in übergeordnete Lehrplä-ne/-ziele, Vorstellen der Kursübersicht),
  • Informationen zu Allgemeinem ebenso wie Besonderem aufnehmen und sequentialisieren (d.h. Lernangebote sollen sowohl abstrakte Information wie konkretes Material beinhalten; die Sequenz der Präsentation ist zu strukturieren),
  • Lernaktivitäten sicherstellen (d.h. die reine Präsentation von Informationen reicht nicht aus: es sind Angebote vorzusehen, die Aktivitäten des Lerners erfordern),
  • Lernfortschritt feststellen und rückmelden (d.h. die Überprüfung des Lernfortschritts dient der Unterstützung des Lehr- ebenso wie des Lernprozesses; die Qualitätssicherung ist statt des Prüfungscharakters hervorzuheben).

Kerres weist darauf hin, dass sich die Lerndauer in der Lehr-Lernforschung als wichtige Variable zur Bestimmung von Lernerfolg erwiesen hat.

Er geht auch auf einen Vorschlag von Goodlad ein, der empfiehlt, statt wie bisher etwa 70% der Unterrichtszeit für deklaratives und prozedurales Wissen vorzusehen, 70% der Lernzeit für den Erwerb komplexerer Denkfähigkeiten einzuplanen. Allerdings sollten derartige Übungen innerhalb der Domäne des Lehrgegenstands angesiedelt sein. Der Versuch, domänen-unabhängige Denkfähigkeiten und -Strategien zu vermitteln, scheint weitgehend als gescheitert.

Anmerkung MM: Nach meiner Meinung wird hiermit das zentrale Problem unseres Bildungssystems bis zur Sekundarstufe angesprochen: Ein zu geringer Erwerb an komplexen Denkfähigkeiten, statt dessen ein überwiegender Erwerb prozeduralen und deklarativen Wissens. Als Ursache vermute ich, dass die Vermittlung von deklarativen Wissen didaktisch die einfachste Aufgabe ist, die von prozeduralem schon schwieriger und am schwierigsten die Vermittlung "komplexerer Denkfähigkeiten" ist, zumal ja nicht eimal klar sein dürfte, was "komplexere Denkfähigkeiten" eigentlich sind. Folglich ist es nicht verwunderlich, wenn festgestellt wird: "Der Versuch, domänen-unabhängige Denkfähigkeiten und -Strategien zu vermitteln, scheint weitgehend als gescheitert." Dennoch sollte gerade dies m.E. das zentrale Anliegen eines Bildungssystems sein.

Am Ende des Kapitels geht Kerres zwar noch auf Gedanken über die Zeitaufteilung für die Bereiche

deklaratives,
prozedurales und
kontextabhängiges (episodisches)
Wissen
ein.

Er zitiert zwar ein Beispiel für eine Aufteilung der Lernzeit auf diese Bereiche, zieht diese jedoch in Zweifel, so dass ich hier auf eine Wiedergabe verzichtet habe.

Kerres hebt jedoch hervor, dass die Lerndauer, als "die Dauer aktiver Auseinandersetzung mit einem Lerngegenstand, sowie die Allokation bestimmter kognitiver Lernaktivitäten über die Zeit" in einem kognitiven Ansatz des didaktischen Designs von zentraler Bedeutung sei.

 

 

 

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